Mantrailing mit dem Tierschutzhund

26. September 2023

„Jeder Hund kann trailen!“ – diese Aussage hört man immer häufiger und bis auf wenige Ausnahmen trifft dies auch sicher zu. Was aber, wenn ich einen Hund aus dem Tierschutz übernommen habe, der vielleicht noch ein wenig unsicher ist, in manchen Situationen Stress hat oder mit Menschen etwas mißtrauisch ist? Gerade dort ist Mantrailing oft eine wahnsinnig unterstützende Auslastungsform, die Hund und Hundehalter noch enger zusammenwachsen lässt und dem Hund viel Selbstsicherheit geben kann.

Eignet sich die Personensuche als Nasenarbeit für diesen einen, meinen, Hund?

Für mich ist, genau wie bei jedem anderen Hund, vordergründig, ob der Hund gerne seine Nase auf Spuren einsetzt und dies ist sehr individuell. Habe ich als Familienzuwachs einen Windhund adoptiert, der in seinem alten Leben Rennen gelaufen ist und auch sonst genetisch nicht viel Interesse an Nasenarbeit mitbringt, werde ich diesen wahrscheinlich eher nicht mit der Suche nach dem Individualgeruch eines Menschen glücklich machen. Im schlimmsten Fall überfordere ich ihn sogar und erreiche das Gegenteil von dem, was ich eigentlich wollte. Damit will ich hier keinesfalls sagen, dass Windhunde nicht trailen können. Ich möchte lediglich ermuntern, hinzuschauen, was dieser eine individuelle Hund an Bedürfnissen und Vorlieben mitbringt und dementsprechend die Form der Auslastung zu wählen. So sehr ich das Trailen liebe, so schade ist es, wenn ein Hund nicht als Individuum gesehen wird und ein Hobby aufgedrückt bekommt, an dem eigentlich nur der Mensch Spaß hat.

Aber gehen wir mal davon aus, ich habe einen Hund, der sehr viel Interesse an der Nasenarbeit hat. Hier kann Mantrailing wahre Wunder vollbringen, was Selbstsicherheit angeht – und zwar in vielerlei Hinsicht.

Belohnen geht auch mit gut sitzendem Maulkorb

Mißtrauen gegenüber Menschen

Nicht selten sind Hunde aus dem Tierschutz Menschen gegenüber eher misstrauisch, haben vielleicht sogar Ängste. Das kann durch schlechte Erfahrungen bedingt sein, aber auch durch wenig bis gar keinen Erfahrungen mit Menschen. Im Mantrailing sucht der Hund eine bestimmte Person anhand des Individualgeruchs. Um diesen Vorgang im Aufbau so einfach wie möglich zu gestalten, bietet es sich durchaus an, zunächst mit bekannten Personen zu starten. Dies können der Ehepartner, Kinder, andere Familienmitglieder (die der Hund gut kennt) oder andere Personen aus dem Umfeld des Hundes sein, die er bereits gut kennt und zu denen er etwas Vertrauen gefasst hat.

Genau wie jeder andere Hund, sollte auch der Hund aus dem Tierschutz Gelegenheit gehabt haben, sich in seinem neuen Zuhause einzugewöhnen und „seine Menschen“ kennenzulernen, bevor man mit dem Mantrailing startet.

Vorsichtig bin ich bei diesen Hunden damit, als Trainer den Hund zu führen und den Besitzer suchen zu lassen. Je nach Individuum kann dies durchaus für einen Schreck sorgen, wenn die Bezugsperson plötzlich verschwindet und der Hund von einem für ihn Fremden geführt wird. Dies sollte man immer individuell betrachten und mit seinem Trainer/seiner Trainerin gut absprechen.

Hat der Hund das grundlegende Spiel mit bekannten Personen verstanden, kann man dazu übergehen, flüchtig bekannte Personen, z.B. aus der Trailgruppe, die der Hund bis dahin schon ab und an gesehen hat, suchen zu lassen. Im weiteren Verlauf des Trainings integriere ich dann fremde Personen.

Die Versteckperson sollte hier immer gut instruiert werden. Sie darf sich zu Beginn gern schon mit dem Hund vertraut machen, darf einige Leckerchen reichen, sich mal abhocken und beschnuppern lassen, ruhig und ermutigend mit dem Vierbeiner sprechen. Im Versteck ist es dann wichtig, je nach Hundetyp, sich passiv zu verhalten, leise und ruhig zu loben, eher abgewandt zu füttern und sich nicht über den Hund zu beugen. Eventuell ist es ratsam, zu Beginn im Versteck zu hocken oder sogar zu liegen, um nicht bedrohlich zu wirken. Ruckartige Bewegungen sollten gerade bei schreckhaften Hunden unterlassen werden. Kurzum: Es geht erstmal darum, dass der Hund sich am Ende der Spur sicher fühlt und seine Belohnung in Ruhe fressen kann. Belohnungen, bei denen der Hund lange schlecken kann, eignen sich besonders gut. Es hilft, das Erregungslevel zu senken und „anzukommen“. Es spricht auch nichts gegen einige geworfene Leckerchen im Gras, die der Hund eine ganze Weile suchen darf. Hier muss die Versteckperson zu Beginn gut instruiert werden.

An dieser Stelle sei einmal erwähnt, dass Trailen auch für die Versteckperson sicher sein muss… Bei Bedenken ist es überhaupt nicht verwerflich, einen gutsitzenden Maulkorb zu nutzen, mit dem der Hund ganz normal riechen und vielleicht die Belohnung mit einer Tube durch den Maulkorb schlecken kann. Safety first!

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Hunde, die mit Menschen unsicher sind, enorm vom Trailen profitieren. Sie lernen viele verschiedene Menschen kennen, die immer mit etwas positivem verknüpft sind. Sie werden viel sicherer und trauen sich nach und nach mehr zu. Menschen sind etwas tolles und Mut wird belohnt. Mit der Zeit ist es oft für diese Hunde selbstverständlich, auch fremde Menschen zu suchen, was ich persönlich sehr toll finde und der Entwicklung auch im Alltag oft entgegenkommt. Hierbei geht es mir NICHT darum, dass alle Menschen geliebt werden müssen -es geht mir um die innere Ruhe und Sicherheit, dass es okay ist, wenn dort (fremde) Menschen sind und kein Grund zur Sorge.

Ein weiterer Aspekt, Selbstvertrauen zu gewinnen, ist, wenn die Hunde selbständig Lösungsstrategien im Rahmen des Mantrailings erarbeiten dürfen.

Hierbei sei einmal erwähnt, dass die Voraussetzung dazu ein kleinschrittiges Training ist, in dem der Hund kleine Erfolge feiern kann, die zu mehr Selbstbewusstsein führen. Der Trainer/die Trainerin sollte den Trail so individuell gestalten, dass der Hund kleine, lösbare Aufgaben gestellt bekommt und der Hundeführer/die Hundeführerin auch die nötige Zeit zulässt, die es für die Erarbeitung braucht. Untergrundwechsel, Differenzierungen, verschiedene Geruchsbilder – all das darf schrittweise aufgebaut werden. Es ist so schön zu sehen, wenn ehemals unsichere Hunde immer mehr Mut und Selbstbewusstsein bekommen, weil sie die Erfahrung gemacht haben, dass sie ein Problem selbständig lösen können. Nicht selten sieht man, wie sie im wahrsten Sinne des Wortes erhobenen Hauptes zum Auto zurückgehen, ganz in der Sicherheit, etwas Fantastisches geleistet zu haben (was ja auch stimmt)!

Teamwork makes the dream work

Natürlich gibt es auch Situationen, in denen der Hundehalter als Teampartner den Vierbeiner unterstützt. Diese können vielfältig sein. Sei es die Brücke, über die das Tier sich noch nicht traut oder das gemeinsame Bewältigen von „gruseligen“ Umweltreizen. Ich rede immer von einer Symbiose zwischen Mensch und Hund. Ich kenne die Schwächen meines Hundes und versuche sie aufzufangen, wo möglich. Meine Schwäche als Mensch ist definitiv die fehlende Nasenleistung, die darf der Hund dann an entsprechender Stelle wieder auffangen. So ergibt sich ein Miteinander, eine echte Verbindung, echte Teamwork. Dies tut gerade Hunden mit einer unschönen Vergangenheit richtig gut und stärkt die Beziehung. Wenn man lernt, dass man sich auf „seinen Menschen“ verlassen kann, dieser einen unterstützt und verständnisvoll auf die Bedürfnisse eingeht, ist das auch ganz viel Vertrauensarbeit, die dem Team im Alltag zugute kommt!

Ein Herzensanliegen habe ich noch… im Mantrailing ist es nicht selten so, dass der Mensch sehr engagiert dabei ist. Das ist gut so! Jedoch muss der Mensch auch lernen, seinen Hund und seine persönliche Zielsetzung zu hinterfragen. Es ist lobenswert, sich hohe Ziele zu setzen und ein Stück weit brauchen wir diese alle. An dieser Stelle aber einmal der Apell, realistisch und dem Tier gegenüber fair zu bleiben. Was Tierschutzhunde sich oft im Mantrailing erarbeiten ist phänomenal. Trotzdem ist es nur fair, auch anzuerkennen, dass es Grenzen gibt. Den Druck aufzubauen, dass DIESER Hund nun auch die Einsatzreife erlangen und tatsächlich vermisste Menschen finden muss, kann die mühsame Teamarbeit auch ganz schnell wieder zerstören. Das finde ich persönlich immer sehr schade. Denn das Tier entwickelt sich auf seine Weise so großartig, nur dem Menschen ist es an einem gewissen Punkt nicht mehr gut genug und der Ehrgeiz übernimmt. Es gibt Gründe, warum für Ernsteinsätze gewisse Rassen ausgesucht werden, warum gewisse Eigenschaften gegeben sein müssen und dass am besten mit einem sehr jungen Tier gestartet wird. Ich will damit nicht sagen, dass es auch Ausnahmetalente gibt. Aber ich würde mir Hundesitzer/innen wünschen, die ihr Tier so sehen, wie es ist – mit all den Stärken und Schwächen, Möglichkeiten und Grenzen. Dann steht einer großartigen Teamwork nichts mehr im Wege. Jeder Hund ist doch sowieso auf seine Weise der Allerbeste. Der Tierschutzhund, der durch das Mantrailing eine enorme Entwicklung hinlegt, eben nochmal ganz besonders.