Der perfekte Mantrailer – Segen oder Fluch?

20. November 2021

Die Frage, welcher Hund sich denn nun besonders für Mantrailing eignet und was für Eigenschaften er mitbringen sollte, beschäftigt mittlerweile viele Hundehalter. Gerade wer mit einem vielleicht schon älteren Hund im Bereich Mantrailing „auf den Geschmack gekommen“ ist, möchte beim nächsten Hund weiter in dieser Sparte arbeiten. Da Mantrailing so viel Freude bereitet, möchte man einen Hund, der ebenso Freude daran empfindet und vielleicht sogar noch mehr- der völlig aufgeht in dieser Arbeit. Hier gibt es mehrere Punkte, die man bei der Auswahl eines Hundes meiner Meinung nach beachten sollte, u.a. : Mache ich Mantrailing als Hobby oder soll der Hund auf Einsatzreife hin gearbeitet werden? 

Wie so vieles, hat auch die Rassewahl immer zwei Seiten der Medaille. Arbeite ich auf Einsatzreife hin, sollte ich sicherlich eine Rasse wählen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit Nasenarbeit liebt und auch darauf selektiert wurde und die eine hohe Arbeitsbereitschaft hat. Traile ich im Hobbybereich, sollte der Hund zwar auch eine gewisse Freude an der Nasenarbeit haben, ich muss aber bedenken, dass eben ein Großteil der Zeit dieses Hundes auch Alltag sein wird. Und genau hier möchte ich heute einmal ansetzen. 

Arbeitshunde brauchen ihre Arbeit

Ein guter Arbeitshund, ist nicht unbedingt ein Hund, der im Alltag toll mitläuft, leichtführig ist und im Restaurant friedlich unter dem Tisch döst. 

Spezialisten, wie Bloodhound, Hannoverscher Schweißhund, Bayerischer Gebirgsschweißhund etc. sind nicht zwangsläufig einfache Begleiter im Alltag. Ein Malinois oder deutscher Schäferhund ist durchaus anspruchsvoll und mag großartig arbeiten, ist aber wahrscheinlich nicht mit einmal in der Woche Trailen zufrieden. 

Ich sehe es sehr problematisch, dass es mittlerweile eine Tendenz gibt, sich solche Rassen zuzulegen und sich vorher wenig über Eigenarten oder Bedürfnisse dieser Hunde zu informieren. Es ist großartig, wenn ich gerne traile und den Hund so auslasten möchte. Ich darf aber nicht erschrocken sein, wenn der Schweißhund Menschen gegenüber eher misstrauisch ist, wenn er Probleme mit Umweltsicherheit hat, wenn der Bloodhound nicht ansprechbar ist, weil er autistisch in seiner Welt lebt oder die Sabber in Fäden an meiner Decke in der Wohnung hängt. Könnte sein, dass der Schäferhund plötzlich aus lauter Motivation anfängt in meinen Arm zu zwicken oder ich plötzlich merke, dass ich doch mal Krafttraining machen müsste, um ihn auf dem Trail zu halten. Wenn es nach Hause geht, soll der Vierbeiner dann aber bitte im Alltag mit zwei Kindern und einer Vollzeitstelle angenehm mitlaufen. Das kann durchaus schwierig werden. 

Ich möchte an dieser Stelle diese Rassen nicht verteufeln, führe ich doch selber Schweißhunde. Wenn mich jemand fragt, ob ich mir diesen Hund für den Alltag oder für hobbymäßiges Trailen zugelegt hätte, muss ich dies aber rigoros verneinen. Sie arbeiten toll und ich liebe es, ihnen dabei zuzuschauen. Sie bringen aber auch ihre Probleme mit. Gerade die autistischen Züge der Nasenarbeiter sind nicht immer so prall. Unsicherheiten können auch im Mantrailing durchaus zum Problem werden. 

Stelle ich mir nun vor, ich würde diese Hunde nur ein- oder zweimal wöchentlich arbeiten, könnte das Chaos perfekt sein. Viele Jagdhund Spezialisten sind nämlich eben das: Spezialisten. Wenn ich einen Hund für Mantrailing mit dem Ziel der Einsatzreife aussuche, teste ich die Welpen mit 7 Wochen. Bei diesen Tests lege ich auf völlig andere Dinge wert, als ich es für einen Familienhund tun würde. Ein Welpe, der schon sehr stark im Kopf ist, sich durchsetzt und dranbleibt, wenn er etwas haben möchte, macht das halt nicht nur in der Arbeit. 

Möchte ich mit meinem Hund einer sinnvollen Beschäftigung als Hobby nachgehen und betreibe Mantrailing sehr engagiert, sollte ich das Alltagsleben mit Hund nicht vergessen. Dort brauche ich durchaus einen Vierbeiner, der Kooperationsbereitschaft mitbringt und sich anpasst. Und: dies sind nicht zwangsläufig schlechtere Mantrailer! Ein Hund, der sehr früh angetrailt wird, wird häufig sehr viel Freude an dieser Arbeit bekommen. Ich zeige ihm, dass er seine Nase sinnvoll gebrauchen kann, um an das Ziel zu kommen. Und ja, auch hier muss ich mich hinterfragen, ob ich das überhaupt will! Möchte ich einen Hütehund, der normalerweise nicht übermäßig mit der Nase jagt, zeigen, dass er diese gebrauchen kann? Der Hundehalter sollte sich darüber im Klaren sein, dass der Hund dies ggf. auch in anderen Situationen tun wird. Mein Windhund hat nie mit der Nase gejagt, er war der Rasse entsprechend ein Sichtjäger. Als er das Konzept Mantrailing verstand, verstand er eben auch, dass er mit der Nase einer Rehspur folgen könnte. Fördere ich das sehr früh, muss ich mir darüber im Klaren sein. Ich möchte dem Leser das gar nicht madig machen. Ich erlebe aber immer wieder, dass darüber gar nicht aufgeklärt wird und die Hundehalter dann plötzlich mit einem Sichtjäger dastehen, der mit 8 Wochen angetrailt wurde und nun auch an Rehspuren Interesse zeigt. Dabei hat man sich doch so gut informiert und alle sagten „der jagt nur mit den Augen“. 

Mantrailing - Hinterfrage Deine Ambitionen ehrlich

Grundsätzlich empfehle ich immer, zu schauen, wie der Alltag des Hundes aussehen soll. Man kann sicherlich sehr viel Freude, auch am Mantrailing, mit einem Hund haben, der früh angetrailt wurde und über Training auf einen guten Weg gebracht wird, der genetisch gesehen aber nicht ein Nasen Autist ist. Vielleicht muss ich mir auch eingestehen, dass er hier und da an seine Grenzen kommen wird (das muss ich letztendlich bei jedem Hund). Aber dafür ist er vielleicht ein großartiger Begleiter im Alltag, ist gut zu handeln und nett. Meine Flatcoated Retriever Hündin beispielsweise liebte das Trailen, kam hier und da aber definitiv an Grenzen. Sie war aber ein Begleiter, der keinesfalls Unsicherheiten in Bezug auf die Umwelt oder Menschen zeigte. Auch konnte ich sie jederzeit mit ins Restaurant nehmen. Mit einem Schweißhund oder Bloodhound ist dies höchstwahrscheinlich eher nicht möglich.

Bei einem Spezialisten, der auf Einsatzreife gearbeitet wird, ist der Alltag womöglich sehr anstrengend. Die Arbeit verlangt auch einiges, denn es ist keinesfalls so, dass diese Hunde ohne Training einen guten Job machen. Lieben tun wir sie ja alle. Ich möchte nur, dass etwas genauer kritisch hinterfragt wird, bevor sich ein Spezialist ins Haus geholt wird und man nach einem Jahr merkt, dass man es einfach unterschätzt hat. Zu viele tolle Jagdhunde werden dann abgeschoben. Es gibt auch Gründe, warum manche Hunde nur an Jäger vermittelt werden. Ein Hund aus einer Jagdleistungszucht ist einfach etwas anderes als der nette Show-Labrador von nebenan.

Ich liebe das Trailen. Mit eifrigen Hunden, mit Welpen, mit Leuten, die engagiert dabei sind. Aber gerade deshalb sollten wir darüber nachdenken, ob wir diesen Hunden auch immer gerecht werden können und was in ihnen ich da genau fördere. Wenn man sich dann bewusst für einen Hund mit allen Vor- und Nachteilen entscheidet, wird man sehr wahrscheinlich auch ein tolles Team werden.