Über Verhalten und Belohnungen im Mantrailing

4. August 2022

Gerne frage ich meine Mantrailing Teilnehmer/innen, was eigentlich die Belohnung für diese irrsinnig lange Verhaltenskette des Trailens (anriechen, suchen, Geruch aufnehmen, Spur verfolgen, entscheiden, verlieren, wieder andocken, …, finden) ist. Der erste Impuls ist dann oftmals klar: Die Belohnung am Ende vom Trail, der Jackpot natürlich! Ein Stück weit stimmt das sicher auch. Aber bis ich dort am Ende bei der Versteckperson gelandet bin, vergeht ja einiges an Zeit und es wird sehr sehr viel Verhalten gezeigt. Wie kann ich denn verhindern, dass ich unerwünschtes Verhalten mit belohne? Wie kommt es, dass Hunde kilometerweit in die falsche Richtung stürmen und der Mensch wie ein Fähnchen hinten dranhängt und der Überzeugung ist, der Hund ist noch auf dem Trail?

Für mich ist klar, dass ich eben NICHT alles an Verhalten belohnen will. Dies ist vor allem im Aufbau eines Hundes wichtig. Natürlich probiert der Hund u.U. einiges aus und wird auch einiges zeigen. Aber ich möchte ihm ja beibringen, dass nur das Verfolgen der Spur Erfolg verspricht.

Im Mantrailing ist das Mitgehen des Hundeführers ein Verstärker - eine Belohnung - für das Verhalten.

Wenn das Verhalten aber gerade darin besteht, dass der Hund einfach nur Vorwärtsbewegung zeigt auf der Suche nach Geruch (weil er ihn u.U. sogar verloren hat), verstärke ich eben auch das Verhalten. Und das ist meiner Meinung nach ein sehr häufiges Problem im Mantrailing. Manchmal beginnt dies schon am Anfang der Ausbildung: Wird der Hund rein auf Sicht angereizt, sieht also, wohin die Person rennt,  kann es passieren, dass er unter Einsatz seiner Augen die Versteckperson scheinbar „findet“. Unter Umständen bringe ich ihm so bei: Nutze deine Augen, laufe schnell vorwärts und du wirst zum Erfolg kommen. Das in Kombination mit einem leicht erregbaren Hundetyp und ich habe sehr schnell ein sehr großes Problem…

Auch ohne Einsatz des sog. Anreizens, kann dies passieren. Sobald der Hund einige Schritte „ratlos“ und vielleicht ohne Einsatz seiner Nase vorwärts geht, laufe ich bereits Gefahr, das unerwünschte Verhalten zu belohnen. Die Folge ist oft ein Hund, der gelernt hat, einfach nur in Vorwärtsbewegung zu bleiben/zu ziehen, und zwar ohne Einsatz seiner Nase. Häufig läuft der Hund dann so lange, bis er frische Witterung der Versteckperson erhält und voila: hat der Hund ganz viel gelernt, aber wahrscheinlich nicht das Verfolgen einer Geruchsspur. Habe ich auch noch einen Hund, der genetisch darauf ausgelegt ist, sowieso eher große Quersuchen zu machen und viel über Wind zu arbeiten, habe ich das noch wunderbar durch den Jackpot am Ende belohnt. Ich brauche wohl kaum zu erwähnen, dass dies unter Einsatz eines sehr hohen Tempos vonseiten des Menschen noch schneller geht. Meistens drückt dieser dann nämlich körpersprachlich auch noch von hinten.

Im Training erlebe ich dann oft verzweifelte Menschen, die sich selbst Vorwürfe machen, weil sie ja die „Negative“ des Hundes nicht erkennen. Faktisch ist es oft so, dass der Hund aber gar kein „Negativ“ zeigt, was der Mensch erkennen könnte, weil er einfach gelernt hat, so lange weiter zu laufen, bis von hinten eine Information oder Hilfestellung kommt. Und hier greift ein Puzzleteil ins andere.

Die wichtigsten Aspekte sind hier für mich:

  • Man muss mit Lernverhalten vertraut sein, um zu wissen, was ich da eigentlich gerade belohne – rennen oder eine Spur verfolgen?
  • Man muss die Balance zwischen Motivation und Erregung/Übererregung individuell beim Hund sehr gut einschätzen und richtig gelagert setzen können
  • Man muss Trailverhalten erkennen können
  • Vorwärtsbewegung heisst nicht Trailen
  • Man darf durch Laufen von sogenannten single blind Trails (jemand weiß, wo die Versteckperson ist) auf keinen Fall Dinge in das Verhalten des Hundes interpretieren, die so gar nicht da sind. Und das ist leichter gesagt als getan.
  • Man muss als Hundeführer, um das richtige Verhalten zu verstärken, sehr gut in Timing, Leinenhandling und Umsetzen von Bewegung vs. Innehalten sein

All das zeigt schon, dass es kein Kinderspiel ist, einen Hund im Bereich Mantrailing gut zu führen. Der Bereich Nasenarbeit ist für uns eh sehr abstrakt, weil wir uns kaum vorstellen können, was der Hund wahrnimmt. Hinzu kommt, dass uns zum Interpretieren des Verhaltens oft „nur“ die Körpersprache des Hundes bleibt. Und das Interpretieren an sich sowieso sehr, sehr schwierig ist, da es eine hohe Fehlerquote aufweist und wir letzten Endes nie so genau wissen, ob unsere Interpretation richtig ist. Es ist eben doch immer die „Blackbox Hund“.

Ich sage immer: Natürlich kann ich einen Hund schnell dazu bringen, von A nach B (oder besser von A zur Versteckperson) laufen zu lassen. Das Wichtige dabei ist jedoch, ob er unter Einsatz seiner Nase dort ankommt. Und zwar die Art der Nasenarbeit, die ich Mantrailing sehen will, also das Verfolgen einer Geruchsspur. Und nicht das Arbeiten über Hochwind oder Quersuchen in den Wind hinein. An dieser Stelle sei kurz erwähnt, dass der Hund ab einem gewissen Punkt natürlich auch Hochwind nutzen soll, wenn er kann. Meistens ist das am Ende, in der Nähe der Versteckperson, der Fall. Aber der Hund sollte, gerade im Aufbau, nicht schon am Start eines Trails in der Witterung stehen.

Deshalb rate ich z.B. meinen Anfänger Teams explizit davon ab, zuhause privat zu trainieren. Es ist doch einiges an Wissen vonnöten, was Wind, Thermik, Körpersprache, Bewegung und Handling des Hundes angeht. Das KANN man als Anfänger noch gar nicht alles umsetzen. Zudem ist mir sehr wohl bewusst, wie schnell ich ein „falsches“, sagen wir besser, ein unerwünschtes Verhalten (einfach nur laufen, Augen einsetzen, quersuchen) belohnen kann, indem ich als Mensch mitgehe. Hat der Hund dieses Verhalten erst einmal einige Male mit Erfolg eingesetzt, wird es sehr schwer bis hin zu unmöglich, es wieder zufriedenstellend abzubauen. Normalerweise ploppt es dann immer wieder auf, denn es hat sich schon mal gelohnt. Eigentlich möchte ich dem Hund aber beibringen:

Ich folge dir, wenn du diesen Geruch arbeitest, es hat aber leider keinen Belohnungseffekt, wenn du einfach nur energieverschwenderisch durch die Gegend stürmst.

Und selbst das hört sich theoretisch leichter an, als es in der Praxis ist. Das Wissen um selbstbelohnendes Verhalten und Verstärker ist für einen guten Trainer ein absolutes Must-have meiner Meinung nach.

Deshalb: Auch wenn es manchmal so einfach aussieht, wie der Hund in der ersten Mantrailing Stunde ein klitzekleines Stück einer Geruchsspur folgt…es gehört so viel mehr dazu und beinhaltet jede Menge Wissen, vor allem vonseiten des Trainers, wenn man es gut machen will. Macht man es gut, erspart man sich u.U. jede Menge Frust auf beiden Seiten.